"Wurfspeer im Rücken, Nagelschere im Ohr"

Christoph Tomanek über skurrile Todesarten, seinen sonnigen Spitznamen und die Frage, warum Rechtsmediziner im Fernsehen so beliebt sind.

Dr. Henning Strahl (Christoph Tomanek)
Dr. Henning Strahl (Christoph Tomanek) | Bild: ARD / Marion von der Mehden

Christoph Tomanek ist Dr. Henning Strahl. Im Interview spricht er über skurrile Todesarten, seinen sonnigen Spitznamen und die Frage, warum Rechtsmediziner im Fernsehen so beliebt sind.

KÖNNEN SIE SICH NOCH AN IHRE ERSTE LEICHE ERINNERN?

Der erste Tote auf meinem Obduktionstisch als Dr. Henning Strahl war ein Lübecker Marzipanhändler, der mit seinem eigenen Marzipan erstickt wurde. In der Anfangszeit der Serie haben wir die skurrilsten Todesarten gehabt. In einem Aquarium wurde zum Beispiel ein Tierpfleger mit einer Harpune niedergeschossen, ein Sportlehrer starb auf offener Straße mit einem Wurfspeer im Rücken. Da gab es ein Fingernagelmodell, das mit dem Stich einer Nagelschere ins Ohr ermordet wurde. Es war grotesk! Besonders qualvoll kam ein Zuhälter in einem Lübecker Museum ums Leben: Er wurde auf einer historischen Streckbank zu Tode gefoltert. Wir standen zu Beginn für schwarzen Humor und bewegten uns teils hart an der Grenze zur Absurdität.

WIRD HEUTE ANDERS GESTORBEN?

Die Todesarten haben sich über die lange Strecke total gewandelt – von aberwitzig zu normal. Die Betonung des Formats liegt heute nicht mehr auf komödiantisch, sondern auf realistisch. Wir erzählen inzwischen berührende, oft tragische Kriminalfälle, in denen Menschen in soziale Not geraten und sich in Situationen manövrieren, die sie nicht mehr kontrollieren können. Ich bin wirklich begeistert darüber, wie sich unsere Serie weiterentwickelt hat.

WIE KAM DR. HENNING STRAHL ZU SEINEM SPITZNAMEN "STRAHLEMANN"?

Kommissar Finn Kiesewetter hat ihn von Anfang an so genannt. Der Spitzname stammt aus ihrer gemeinsamen Schulzeit. Ich finde, er bildet einen schönen Gegensatz: Ausgerechnet der Rechtsmediziner, der den ganzen Tag mit düsteren Dingen zu tun hat, mit Tod und Endlichkeit, trägt einen solchen sonnigen Spitznamen. Strahlemann selber hat sich über die Jahre von einem merkwürdigen, britisch angehauchten Menschen mit Schiebermütze und Seidenschal und Hang zu Rotwein und Geigenmusik zu einem vergleichsweise ernsten Rechtsmediziner entwickelt. Allerdings hat er sich seine pedantische Art und seine Besserwisserei bewahrt.

WIE IST SEIN VERHÄLTNIS ZU DEN KOMMISSAREN?

Es ist geprägt von Gekabbel und Ironie, was dem Ganzen eine gewisse Würze verleiht. Da sie sich schon lange kennen, pflegen die Figuren eine gewisse Lockerheit im Miteinander. Strahl ist immer als Erster am Tatort und weiß, was die Kommissare noch nicht wissen. Diesen Vorsprung nutzt er aus. Zwar berichtet er ausführlich, aber mit der Haltung: Na, ob sie es wohl verstehen, da bin ich aber mal gespannt! Es bereitet ihm auch eine innere Freude, die Ermittler mit Begriffen aus der Medizin zu bombardieren, die sie mutmaßlich nicht verstehen. Auf der anderen Seite machen sich die Kommissare über seine Merkwürdigkeiten lustig, was Strahl sichtlich unangenehm ist. So wird der Ball liebevoll hin und her gespielt: Wer hat hier eigentlich das Sagen?

WARUM SIND RECHTSMEDIZINER BEIM PUBLIKUM SO BELIEBT?

Es müssen schon eigenartige Charaktere sein, die den Tod zu ihrem Metier machen. Als Normalsterblicher, der dem Leben zugewandt ist, möchte man damit ja nicht so viel zu tun haben. Aber wenn man vor dem Bildschirm sitzt und den TV-Pathologen quasi aus der Ferne zuschaut, wie sie mit einem sarkastischen Spruch und einem Lächeln Leichen untersuchen, dann verliert das Thema für einen Moment seine Bitterkeit und Beschwernis. Rechtsmediziner ermöglichen uns einen leichteren Umgang mit dem Thema Sterben. Wie viele andere habe auch ich Angst vor dem Tod. Insofern ist es ein merkwürdiger Wink des Schicksals, dass ich seit zehn Jahren den Rechtsmediziner spielen und mich mit diesem beruflichen Umfeld anfreunden darf.

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