Fragen an den Meeresbiologen

Dr. Karsten Brensing

V. li. n. re.: Morten Solheim (Erik Madsen), Manu Hauser (Haley Louise Jones), Pit Wagner (Daniel Roesner) und Yuna Bartosch (Luka Omoto) untersuchen das gestrandete Walbaby.
V. li. n. re.: Morten Solheim, Manu Hauser, Pit Wagner und Yuna Bartosch untersuchen das gestrandete Walbaby. | Bild: ARD Degeto / Daniel Villiers

Sie gelten als einer der führenden Walexperten in Deutschland. Was fasziniert Sie als Meeresbiologe an diesen Tieren?

Als Kind war ich von Flipper fasziniert und habe es geliebt, im Wasser zu sein. So ist meine Begeisterung für Wale und Delfine entstanden. Heute ist diese Begeisterung eher dem Respekt und dem Verantwortungsgefühl gewichen. Wir Menschen besitzen unseren Planeten nicht alleine, wir teilen ihn uns mit vielen hoch oder weniger hoch entwickelten Tierarten und wir müssen respektieren, dass diese Tiere auch einen Anspruch auf ihren Lebensraum und gesunde Nahrung haben. Leider tun wir dies nicht! Wir verschmutzen tagtäglich die Meeresumwelt mit Plastik und den verschiedensten Giftstoffen, und unsere industriellen Aktivitäten verändern die Umwelt. So wurde zum Beispiel der Kommunikationsradius von Walen in den letzten Jahrzehnten von 2000 auf 200 Kilometer reduziert. Unter diesen Bedingungen ist es schwer, den Partner oder die Partnerin in einem riesigen Ozean zu finden. Aber das ist nur ein Beispiel von unzähligen, bei denen wir in den Lebensraum von Tieren eingreifen.

Was war genau Ihre Aufgabe bei diesem Projekt?

Ich hatte das Glück, eine relativ frühe Fassung des Drehbuchs zu bekommen, und so konnte ich auf viele sachliche Fehler schon in einem frühen Stadium hinweisen. Für Autoren ist das natürlich nicht unbedingt lustig, denn meist beruht das eine auf dem anderen und eine Kleinigkeit kann das ganze Gerüst der Story ins Wanken bringen. In diesen Fällen durfte ich mir Situationen und Gegebenheiten ausdenken, die eine dramatische und vielleicht auch überraschende Lösung lieferten. Auf diese Weise kam die Vergiftung durch Quecksilber ins Spiel …

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Gefahren für die Meeressäuger?

Die meisten Meeressäuger stehen am Ende der Nahrungskette. Schon der kleinste Organismus filtriert Nahrung aus dem Meereswasser. Dieses Wasser enthält aber nicht nur Nahrung, es enthält auch unzählige Giftstoffe und Mikroplastik. Ein Tier am Ende der Nahrungskette nimmt alle Gifte konzentriert auf. Man könnte sagen, dass ein Meeressäuger Gifte von mehreren Kubikkilometern Meereswasser konzentriert aufnimmt, wenn er einen Fisch isst. Das hat Folgen und so gibt es kaum noch Tiere, die nicht unter Schwermetallen oder PCBs leiden. Ein weiteres großes Problem ist die Fischerei und ein oftmals viel zu hoher Anteil an Beifang. Die einzige einheimische Walart ist der Schweinswal, seine Ostseepopulation wird derzeit ausgerottet. Es landen mehr Tiere in den Stellnetzen als Tiere geboren werden. Darüber hinaus gilt die Lärmverschmutzung der Meere als ein großes Problem für Wale und Delfine.

Wie nah ist der Film an der Realität?

Der Film ist natürlich Fiktion und einer spannenden Geschichte muss manchmal auch ein bisschen Realitätsnähe geopfert werden. Im Großen und Ganzen sind die im Film gezeigten Probleme real. Wenn zum Beispiel im Gewebe der gestrandeten Tiere eine Quecksilbervergiftung nachgewiesen wird, dann ist das real. Wenn darüber spekuliert wird, ob diese Konzentration für Verhaltensauffälligkeiten ausreicht, dann ist das ebenfalls real. Auch die Verletzung durch eine Schiffsschraube ist real. Selbst die großen Bartenwale sind vor solchen Verletzungen nicht gefeit, denn sie liegen oft schlafend an der Oberfläche und werden von Containerschiffen einfach überfahren. Die Verletzung des Ohres ist ebenfalls real. Nicht nur durch Sprengungen mit Dynamit, viel gefährlicher sind heute industrielle Aktivitäten. So werden bei der Suche nach Erdöl und Erdgas sogenannte Airguns verwendet. Diese erzeugen explosionsgleiche laute Geräusche, mit denen man in den Boden hineinschallt, um Bodenschätze zu finden. Aber auch der Bau von Windkraftanlagen im Meer kann extrem laut sein. Die Metallsäulen, auf denen die Anlagen stehen, werden mit riesigen Hämmern in den Boden getrieben. Jeder Hammerschlag ist so laut wie eine kleine Explosion. Letztlich ist auch die illegale Fischerei ein großes Problem, unter dem das ganze Ökosysteme leiden. Die Fischerei mit Dynamit ist eher die Ausnahme, denn sie ist sehr auffällig. Viel gefährlicher ist der Einsatz von verbotenen Treibnetzen oder die Grundnetzfischerei in Schutzgebieten.

Braucht es mehr Forscherinnen und Forscher, die sich mal gegen Vorschriften und Weisungen durchsetzen?

Die meisten Gesetze und Verordnungen, die die Umwelt betreffen, sind ausgesprochen sinnvoll. Oftmals werden die Gesetze allerdings nicht konsequent angewendet oder ausgelegt. So ist es in Europa beispielsweise verboten, streng geschützte Arten in ihrer Reproduktionsphase zu stören. Die Reproduktionsphase von Walen und Delfinen ist aber ganzjährig und die meisten Arten sind streng geschützt. Somit ist jeder Bau einer Windkraftanlage, der zu einer Vertreibung der Tiere aus ihrem Territorium führt – das ist praktisch bei allen Anlagen der Fall –, eine illegale Störung. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn sich Beteiligte gegen diese Praxis wenden würden. Diese Form der illegalen Umweltverschmutzung ist also kein Problem der Dritten Welt, es ist ein Problem vor unserer Haustür in der Nord- und Ostsee.

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