Mi., 01.02.23 | 05:30 Uhr
Palliativmediziner Radbruch zur Debatte über Sterbehilfe
Der Palliativmediziner Prof. Dr. med. Lukas Radbruch trifft in seinem Arbeitsalltag gar nicht selten auf Menschen, die so nicht weiterleben wollen. Auch käme er mit Menschen zusammen, die nicht krank seien, im Pflegeheim, im Krankenhaus oder zu Hause, die sagte, sie seien des Lebens müde. "Sie wollen jetzt einfach so nicht weiter. Und die Angebote, die wir machen, die interessieren sie eigentlich gar nicht." Häufig sei das keine Handlungsaufforderung. "Sondern, dass Menschen mir das sagen, weil die erst mal mit mir auch ins Gespräch kommen wollen. Als Ausdruck, wie schlecht es ihnen geht. Es ist eben wirklich auch eine elende Situation. Und das kann man nicht anders ausdrücken."
Lebenswunsch und Todeswunsch zugleich
Oft lägen Lebenswunsch und Todeswunsch gleichzeitig vor. "Dass Menschen hin und her schwanken", sagte Prof. Radbruch. Wenn sie Informationen erhielten, z. B. nicht qualvoll ersticken zu müssen, weil man die Symptome bis zum Lebensende gut behandeln könne, "dann hat mir vor kurzem bei einem Ethikkonzil eine Bewohnerin in einem Pflegeheim gesagt: Naja, wenn das so ist, dann kann ich ja ruhig noch ein bisschen weiterleben."
Menschen mit Suizidgedanken brauchen vertrauensvolle Beziehungen, keine Checkliste
Ein Problem in der aktuellen Debatte sieht der Palliativmediziner darin, dass es nun um eine formelle Regelung geht, was in einer Art Checkliste enden könne. "Wo dann ein Beratungsgespräch gebraucht wird und vielleicht noch ein Gutachten. Aber das ist nicht die Begleitung, die Menschen mit Suizidgedanken brauchen. Die brauchen jemanden, der sich auf eine vertrauensvolle Beziehung einlässt. Und das dauert. Und das ist kompliziert. Da muss ich mich selbst auch als Arzt immer wieder in Frage stellen. (…) Und dann erleben wir in einem solchen Prozess immer wieder, dass Menschen auch heilfroh sind, dass sie das nicht umgesetzt haben."
Stand: 01.02.2023 10:35 Uhr
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