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Service: Schwindel

mit Prof. Dr. Lars Timmermann, Neurologe

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Service: Schwindel | Video verfügbar bis 22.05.2025 | Bild: WDR

Ob bei Tag oder bei Nacht – Betroffene haben das Gefühl, ständig Karussell zu fahren. Schwindel kann zu Angstzuständen oder Übelkeit führen, der Leidensdruck ist häufig hoch. Jeder zehnte Patient in einer Allgemeinarztpraxis klagt über Schwindelsymptome. Damit ist Schwindel nach Kopfschmerzen die häufigste Krankheitserscheinung. Und: Die Ursachen von Schwindel werden oft nicht korrekt erkannt!

Was ist Schwindel?

Unter Schwindel versteht man eine Gleichgewichtsstörung, bei der die Betroffenen ein Gefühl des Schwankens oder Drehens, mitunter aber auch nur der Benommenheit haben. Es entsteht der Eindruck, als bewege man sich im Raum oder Gegenstände bewegten sich um einen herum. Oft kommen weitere Gleichgewichtsstörungen wie Schwanken oder Taumeln, Übelkeit, Erbrechen, Doppelbilder, Schweißausbrüche oder Schwarzsehen hinzu. Zur Orientierung im Raum und zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts leiten verschiedene Systeme im Körper ihre Informationen an das Gehirn weiter: das Auge, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr, Sinneszellen sowie Nerven, die die Körperhaltung registrieren. Werden mehrere dieser Informationssysteme gestört, empfinden wir Unsicherheit bzw. Schwindel. Schwindel kann aber auch entstehen, wenn die Hirndurchblutung gestört ist.

Ursachen

Natürliche Formen des Schwindels sind der Höhenschwindel, die Reisekrankheit oder der Schwindel bei rasanten Bewegungen (z.B. auf der Achterbahn). Häufig tritt Schwindel nach plötzlichem Aufstehen (sog. Lageschwindel, hervorgerufen durch eine kurzzeitig verminderte Hirndurchblutung) oder schnellem Drehen des Kopfes auf. Diese Arten des Schwindels sind in der Regel harmlos. Relativ häufig gehen Schwindelanfälle auf Kreislaufstörungen, aber auch auf Veränderungen im Gleichgewichtsorgan oder auf Sehstörungen zurück. In fortgeschrittenem Alter können unter Umständen auch Veränderungen der Halswirbelsäule für Schwindelanfälle sorgen.

Arten von Schwindel

Schwindel hat nicht nur unterschiedliche Ursachen, sondern auch verschiedene Erscheinungsformen. Drehschwindel wirkt wie die Fahrt in einem Karussell, Schwankschwindel fühlt sich an, wie der Gang auf einem Schiff. Schwindel kann sich aber auch als Benommenheit äußern. Weitere Unterscheidungen sind die Dauer (kurz, lang oder Dauerproblem?), ob es feststellbare Auslöser gibt und ob Begleitsymptome auftreten.
Am häufigsten klagen Patienten über Schwindel, wenn Kreislaufstörungen durch Verkalkung von Blutgefäßen, eine Unverträglichkeit von Medikamenten oder eine Kombination von Sehstörungen und Einschränkungen des Gleichgewichts vorliegen.

Beim Drehschwindel sind die fünf häufigsten Diagnosen:

  1. Gutartiger Lagerungsschwindel – harmlose Irritation des Gleichgewichtsorgans
  2. Phobischer Schwankschwindel – Angstattacken mit psychischem Hintergrund
  3. Zentral-vestibulärer Schwindel – Erkrankung von Hirnstamm, Klein- oder Großhirn
  4. Vestibuläre Migräne: Dreh- und Schwankschwindelattacken mit Kopfschmerzen
  5. Morbus Menière – heftige Drehschwindelattacken und Ohrgeräusche, Ursache unbekannt

Symptome

Bei einer ausgeprägten Schwindelattacke nehmen Betroffene Scheinbewegungen des Bodens oder der Umwelt wahr. Weitere Beschwerden sind Stand- und Gangunsicherheiten bis hin zu einer ausgeprägten Fallneigung, sowie Übelkeit, Erbrechen und Ohrensausen. Darüber hinaus kommt es zum Nystagmus, einem Augenzittern in Form von unwillkürlichen, schnell aufeinander folgenden Zuckungen der Augäpfel aufgrund einer gestörten Funktion der Augenmuskulatur.

Bei den verschiedenen Schwindelformen sind nicht immer alle dieser verschiedenen Symptome ausgeprägt. Schwindel kann sowohl vorübergehend (episodisch) auftreten, als auch andauernde (chronische) Verläufe zeigen. Dabei können die einzelnen Schwindelattacken entweder spontan auftreten oder durch entsprechende Reize ausgelöst werden.
Schwindelgefühle können auch verschiedene psychische Ursachen haben, wie Höhenangst, Platzangst oder Angst bei leeren Plätzen (Agoraphobie). Panikattacken sind meist mit Schwindel verbunden. Alle Formen des Schwindels sollten immer ernst genommen und vom Arzt abgeklärt werden. Treten neben Schwindel auch Hörstörungen oder Ohrgeräusche auf, ist eine Erkrankung des Innenohrs wahrscheinlich.

Meist dauert ein Schwindelanfall nur einige Sekunden. Je nach Art der zu Grunde liegenden Erkrankung kann er aber auch länger dauern. Bei einem Gleichgewichtsausfall zum Beispiel sind es ein bis drei Tage. Wenn mit dem Schwindel weitere Symptome wie eine Sehstörung, ggf. auch eine Sprechstörung oder Gangstörung auftreten, muss schnell gehandelt werden um einen Schlaganfall auszuschließen.

Diagnose

Die Diagnose von Schwindel kann schwierig sein: Oft muss ein Arzt in detektivischer Kleinarbeit zunächst viele mögliche Ursachen ausschließen, bis er oder sie den verantwortlichen Auslöser gefunden hat. Die Krankengeschichte des Betroffenen kann schon sehr genaue Hinweise auf die Ursache des Schwindels geben. Der Arzt sollte darum auch nach anderen bekannten Erkrankungen fragen, z.B. ob eine Herzerkrankung vorliegt oder der Patient an Diabetes leidet.

Wichtig ist auch, wodurch die Schwindelsymptome ausgelöst wurden, wie lange der Schwindel andauert und welche anderen Symptome noch auftreten. Kommt es zu Übelkeit, Erbrechen, Erstickungsangst, Herzrasen, Schweißausbrüchen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hörverlust, Ohrgeräuschen? Auch die Lebensumstände des Betroffenen können auf eine mögliche psychische Ursache hinweisen. Das genau herauszufinden, ist für eine erfolgreiche Behandlung sehr wichtig. Gerade psychisch bedingter Schwindel wird nicht immer richtig erkannt.

Behandlung

Beim akuten Auftreten einer Schwindelattacke ist es wichtig zu bestimmen, ob dieser Schwindel bekannt oder bislang so nie aufgetreten ist. Ein heftiger, bislang unbekannter Schwindel sollte unbedingt zu einer direkten Vorstellung in einer Notaufnahme führen. Tritt eine Attacke mit einem bekannten Schwindel auf, sollten sich die Betroffenen hinlegen, am besten mit hoch gelagerten Beinen. Anhaltende Schwindelsymptome sollten unbedingt behandelt werden, auch wenn sie nur leicht sind. Wer häufig unter Schwindel leidet, sollte unbedingt einen Arzt aufsuchen, denn es könnte eine ernstzunehmende Erkrankung zugrunde liegen.

Wenn eine Grundkrankheit der Auslöser für die Schwindelgefühle ist, steht deren Behandlung im Vordergrund. Zur Behandlung der Symptome – wie auch zur Behandlung von Schwindelanfällen ungeklärter Ursache – können schwindeldämpfende Medikamente eingesetzt werden. Sie sollen aber nur möglichst kurze Zeit eingenommen werden, da sie die „Neuprogrammierung“ des Gehirns verhindern. Um sie geht es nämlich vor allem bei der wichtigsten Therapieform gegen Schwindel, der Physiotherapie. Durch gezieltes Training kann das Gehirn neu lernen, unter normalen Bedingungen nicht „Schwindel“ zu signalisieren, sondern Normalität.

So ein Trainingseffekt wird beim gutartigen Lagerungsschwindel z.B. durch schnelles Wechseln zwischen Sitzen und Liegen erreicht. Bei 90 Prozent der Betroffenen klingen die Beschwerden spätestens nach drei Wochen vollständig ab. Oft gelingt schon mit den ersten therapeutischen Lageänderungen eine Heilung.

Wenn Kreislaufstörungen die Ursache für die Schwindelanfälle sind, können sie mit anregenden Methoden wie der Bewegungstherapie behoben werden. Und manchmal reicht es schon, ein schlecht verträgliches Medikament abzusetzen und der Schwindel wird besser. Das sollte aber nur nach Absprache mit dem behandelnden Arzt geschehen.

Weitere Informationen

• Deutsche Hirnstiftung, Informationen zu Schwindel
https://hirnstiftung.org/alle-erkrankungen/schwindel/

• NDR, Ratgeber Gesundheit: Schwindel – Ursachen und Symptome
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Schwindel-Ursachen-Symptome-und-Therapien,schwindel114.html

• WDR, Gesundheit: Übungen gegen Schwindel
https://www1.wdr.de/verbraucher/gesundheit/uebungen-gegen-schwindel-100.pdf

• MDR, Ratgeber Gesundheit: Warnsignale des Körpers
https://www.mdr.de/ratgeber/gesundheit/warnsignale-koerper-zeichen-schmerzen-risiko-gefaehrlich-sos-symptome-100.html

• MDR Wissen: Tinnitus, Taubheit, Schwindel: Hörprobleme durch Corona
https://www.mdr.de/wissen/taubheit-pfeifen-tinitus-ohren-covid-corona-virus-100.html

• MDR, JUMP: Motion Sickness
https://www.mdrjump.de/thema/motion-sickness-100.html

Stand: 22.05.2023 09:52 Uhr

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